Ein Spielplatz der Erinnerung

Am 1. Februar feiern wir mit „Muttertier“ von Leo Lorena Wyss Premiere. Ein spielerischer, poetischer Text, der sich gleichzeitig mit einem ernsten Thema auseinandersetzt: Der Bewältigung psychischer Erkrankungen innerhalb einer Familie. Ein Text über geschwisterliche Bande, Idealvorstellungen von Mutterschaft und eine nicht immer unbeschwerte Kindheit.

Wie man über diese Thematik einen leichten und verspielten Theaterabend inszenieren kann, darüber sprach Dramaturgin Sarah Charlotte Becker mit Magdalena Schönfeld (Regie) und Clara Rosina Straßer (Ausstattung).

Interview Muttertier neu

 

Das Stück heißt „Muttertier“, dennoch tritt die Mutter nie auf. Wem begegnen wir stattdessen an diesem Theaterabend?

Magdalena Schönfeld (MS): Wir begegnen drei Geschwistern, die aus ihrer Sicht von ihrer Kindheit und den Erfahrungen mit ihrer psychisch erkrankten Mutter berichten. 

Clara Rosina Straßer (CRS): Die Mutter schwebt dabei aber wie dunkle Masse im Raum. Auch wenn sie keine physische Präsenz hat, drückt sie sich beispielsweise durch piepende medizinische Geräte, Plastiksäcke und vor allem die Erzählungen ihrer Kinder aus. Sie ist die Protagonistin des Abends, die durch die Erinnerung der drei Geschwister zum Leben erweckt wird. Groß, Mittel und Klein konfrontieren uns mit ihren Erfahrungen mit der Mutter, die eine Schwere hinterlassen – eine Schwere, die die drei Kinder versuchen mit viel Fantasie zu kompensieren. 

 

Was ist das Besondere an dem Zugang, den der Text zu seinem Thema wählt?

MS: Der Text geht sehr bedacht und fein mit Themen wie Depression und Selbstverletzung um. Er ist sehr genau recherchiert und wir erfahren über die Erzählungen der Geschwister, was genau passiert ist, in der Kindheit und in der Gegenwart – aber aus drei verschiedenen Sichtweisen. Jede der Figuren hat andere Erfahrungen mit der Mutter gemacht und geht auch anders mit ihr um. Sehr spannend ist auch, welche Dynamiken zwischen den Geschwistern entstehen, wie die drei miteinander umgehen. Gleichzeitig gibt es immer wieder Momente, die zusammen erlebt und erzählt werden. Der Text ist mit einer großen Leichtigkeit geschrieben, trotz des schweren Themas. 

 

Das Stück spielt einerseits an sehr konkreten Orten wie der Wohnung, dem Hinterhof, dem Hallenbad – gleichzeitig aber auch im abstrakten Raum des gemeinsamen Erinnerns und Spielens. Welcher Raum erwartet uns auf der Bühne und was hat euch dazu inspiriert?

CRS: Die Vielfalt der im Text beschriebenen Schauplätze bietet für uns die Chance eine Welt zu zeigen, die Abenteuer und Verstecke bietet – eine Art Spielplatz, der die Sehnsucht nach Normalität erfüllen kann. Ein Raum, der in Kinderaugen vielversprechendes Potenzial hat. So kamen wir auf die Idee eines verlassenen Rummels. Doch genauso wenig wie man weiß, was im Hallenbad unter Wasser passiert, so ungewiss kann auch ein Rummelplatz sein. Wir wollten einen Ort schaffen, der zunächst leicht einzuordnen ist, an dem man sich schnell zurechtfindet, der aber gleichzeitig weitere, uneindeutige, frei kontextualisierbare Ebenen ermöglicht. So, wie sich im Wort „unheimlich“ der Begriff „Heim“ versteckt, so kann sich im Rummelplatz auch die ein oder andere unerfüllte Sehnsucht verbergen. 

 

Große Teile des Textes werden auf der Bühne chorisch gesprochen. Welche Herausforderungen birgt diese Art der Textarbeit und welche Möglichkeiten liegen darin?

MS: Wir arbeiten sehr genau am Chor und machen detaillierte Spracharbeit. Dafür braucht es viel Übung und Präzision. Jede Haltung muss für jede der Spieler*innen ganz klar sein. Man muss also sehr exakt in der Chorarbeit sein, jede Pause muss genau abgesprochen werden. Das Schöne daran ist, dass es am Ende ein Atmen ist, wie ein Körper.

 

Was ist euer Lieblingssatz oder -moment aus dem Stück?

MS: Mein Lieblingsmoment ist, wenn es für die drei endlich ins Hallenbad geht. Die Freude der Kinder und auch die Zugewandtheit der Mutter in dem Moment sind sehr herzig. Und mein Lieblingssatz ist: „WIR WISSEN WAS EISFISCHEN IST!“

CRS: Meiner ist „Können wir Gummischlange?!?“

 

Und was hat das Ganze mit der Titanic zu tun?

MS: Die drei Geschwister schauen, als Flucht vor der Wirklichkeit, jeden Tag Ausschnitte aus „Titanic“ und spielen diese auch selbst nach. Ihre Mutter vergleichen sie oft mit Rose, der Protagonistin des Films.

CRS: Vielleicht hat weniger die Handlung des Films Eindruck hinterlassen, sondern vielmehr sein Wellenschlag: das Gefühl einer gemeinsamen, aufregenden Erinnerung, in der absolut jedes Gefühl vorkommen darf, schließlich alles den Bach runtergeht und man dennoch danach zusammen den Fernseher ausschalten kann – ohne, dass tatsächlich etwas Schlimmes passiert ist. 

 

Premiere Samstag, 1. Februar 2025

Weitere Termine 8., 13., 15., 21., 22., 27. und 28.* Februar, 1., 6., 7., 8.*, 13., 14., 15., 20., 27. und 28. März 2025

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