Die Welt vom Ende her erzählen
Das Duo OMG Schubert ist zurück am ITZ und setzt sich musikalisch und szenisch mit der kirchenmusikalischen Gattung des Requiems auseinander. Die beiden Komponisten und Multi-Instrumentalisten Justus Wicken und Konstantin Dupelius beantworteten Dramaturgin Jana Gmelin einige Fragen.
v.l.n.r: Justus Wilcken, Konstantin Dupelius, Selina Thüring, Lisa Mayer, Jana Gmelin (es fehlt: Valentin Baumeister)
Ihr arbeitet bereits zum 3. Mal in Tübingen. Was macht es so reizvoll, dass Ihr immer wiederkommt?
Justus Wilcken: Das große Vertrauen in uns und unsere Arbeitsweise ist die beste Einladung und Grundlage, um hier immer wieder zu arbeiten.
Konstantin Dupelius: Wir sind ja streng genommen nicht erst zum dritten Mal da, denn wir haben ja bereits zusammen und beide einzeln Musik für die Schauspielproduktionen des ITZ gemacht. Tübingen ist eine kleine Heimat geworden im Lauf der letzten Jahre, ich komme super gerne hier her und das liegt natürlich auch an der guten Atmosphäre, die hier im ITZ immer herrscht.
Nach Beethoven, Hölderlin und Wagner ist jetzt kein "alter Meister“ Gegenstand eurer Auseinandersetzung, sondern eine musikalische Gattung. Wie kam es dazu?
JW: OMG Schubert hat sich gegründet, um sich kritisch und kompositorisch mit klassischer Musik auseinanderzusetzen. Bisher hat sich das konkret auf historische Personen bezogen. Nach der Person Richard Wagner war uns sehr danach, die Arbeitsweise auf ein größeres, freieres Themenfeld anzuwenden.
KD: Wir waren etwas müde, uns musikalisch und kompositorisch immer auf eine Persönlichkeit, auf einen spezifischen Stil beziehen zu müssen. Und die Müdigkeit kam tatsächlich ganz besonders durch die Auseinandersetzung mit dem gewaltigen Gesamtwerk von Richard Wagner. Was also in dieser Produktion von der Klassik übrig geblieben ist, aus der wir ja biografisch kommen, ist nun eine Gattung, die wir minimal musikalisch und textlich bedienen, aber hauptsächlich in unserer eigenen Sprache überführen.
Das Requiem ist eine Form der ritualisierten, christlichen Trauermusik. Wie funktioniert ein zeitgenössischer Zugriff darauf? Wie lässt sich daraus etwas Neues schaffen?
KD: Das Trauern ist ein zutiefst menschlicher Zustand, den wir alle mehr oder weniger intensiv erlebt haben und für den wir alle Zeit und Raum brauchen. Die Form des Requiems hat auf rituelle und religiöse Weise auf diesen zutiefst menschlichen Zustand reagiert. Daher ist ein zeitgenössischer Zugriff darauf eigentlich genauso simpel, wie sich auf den tief in uns verwurzelten Trauerzustand zu besinnen.
JW: Trauer, Tod heißt auch immer eine Form von Abschied und Reflexion. Wir begreifen das Requiem als eine Art Einladung zur Selbstreflektion. Wo stehen wir als Menschheit, als Mensch in der Menschheit und wohin wird uns das führen? Ein Blick in die Welt macht schnell klar, dass es da keine einfache Antwort drauf gibt. Das reizt uns.
KD: Das schöne an der Gattung des Requiems ist, dass sie tief emotional und wenig formal ist. Man kann sie also sehr leicht aufbrechen und danach suchen, was uns darin auch heute, und auch fernab des christlichen Hintergrundes, interessiert. Dazu kommt, dass das Trauern ja auch ein sehr subjektiver Zustand ist und sich die Frage stellt, warum und worüber man trauert. Und diese Subjektivität war Hauptausgangspunkt für viele unserer Kompositionen.
Wie seid Ihr in der Arbeit vorgegangen?
KD: Wie bereits in den letzten Projekten haben wir uns zunächst in einer zweimonatigen Recherche vollgesaugt mit Themen, Texten, Musiken und sonstigen Materialen zum Requiem an sich und darüber, warum und worüber wir eigentlich trauern wollen. Wir haben uns im Regieteam wöchentlich getroffen und darüber debattiert, was uns an den gesammelten Materialien bewegt, und was uns ganz individuell dazu bewegt, ein Requiem schreiben zu wollen.
JW: Unsere Arbeit lässt sich immer gut in drei Phasen unterteilen: Die Findungsphase für das Thema, die Inputphase und die Outputphase. In der Outputphase habe ich dann an einem großen Whiteboard den Text entwickelt und eine Textfassung erarbeitet, die Konstantin und ich im Anschluss vertont haben. Und das ist dann unsere Probengrundlage.
Ihr arbeitet mit Bühnenbilder Valentin Baumeister zusammen, auch habt Ihr eine Regisseurin für die szenische Einrichtung, Selina Thüring, im Team. Was können wir auf der Bühne erwarten?
KD: In der Inszenierung wird es hin und wieder sehr sakral oder düster zugehen, begleitet aber vom wichtigen Aspekt der Vergemeinschaftung. Dazu führt auch das experimentelle Bühnensetting von Valentin. Denn wer trauert, tut dies zwar oft auch allein, aber benötigt Trost und Mitgefühl von nahestehenden Menschen, oder eben auch einer ganzen Trauergemeinde. Aufgrund des düsteren Themas, werden wir sicher in einige Abgründe springen müssen. Und wir werden auf die Suche nach Hilfe gehen. Welche Instanz wir aber anrufen, das lassen wir erstmal offen!